Die Auswirkungen des Krieges an der Sankt Petri Schule  

 

Deutsche Besetzung Dänemarks am 09.04.1940 

Der Zweite Weltkrieg wirkte sich von 1939 bis Mai 1945 insofern auf den Schulbetrieb der Schule aus, als Dänemark am 09.04.1940 von den Deutschen besetzt wurde. Das wird zu inneren Spannungen innerhalb der gesamten Schulgemeinde geführt haben, aber diese sind heute in ihren Ausmaßen nicht zu erfassen, weil sie in den offiziellen Dokumenten nicht erwähnt werden. 

Schulleiter Maywald schreibt dazu: 

„Sowohl die Lehrerschaft wie die Schüler bemühten sich in verständnisvoller und würdiger Weise, über die für beide Nationen entstandenen Schwierigkeiten hinwegzukommen und die St. Petri Schule im Geiste der deutsch-dänischen Gemeinschaftsschule fortzuführen.“  

Ob das Personal und die Schüler der Schule diese Einschätzung teilten, muss offen bleiben, aber die Anzahl der dänischen Schüler ist unverändert geblieben. Zwei dänische Lehrer (Lotte Mahlo und Vilhelm Jørgensen) haben am 31.07.1940 die Schule verlassen, was vielleicht auf die deutsche Besetzung Dänemarks zurückzuführen ist, aber sie können auch andere Gründe gehabt haben. 

Unsere Toten 

Der Krieg wird in den Jahresberichten der Schule ab 1942 anhand diverser Todesanzeigen, in denen ehemaligen gefallenen Schülern gedacht wird, sichtbar. 

Der erste Sankt Petri Schüler, der an der Front starb, ist Hans Carl Reimers. In der Todesanzeige im Jahresbericht von 1942 heißt es: 

„Er ist der erste St. Petri-Schüler, der vor dem Feinde den Tod für Deutschlands Freiheit gestorben ist. Sein Tod ist für uns alle Verpflichtung, sein Name bleibt unvergessen.“ 

In den späteren Todesanzeigen wird für die gefallenen Schüler die übliche deutsche Formulierung aus der Zeit verwendet, nämlich dass sie alle für „den Führer und das Vaterland“ gestorben seien.

Lehrer werden zum Kriegsdienst einberufen 

Mehrere deutsche Lehrer werden zum Kriegsdienst einberufen, was den Schulleiter vor größere Herausforderungen bei der Belegung des Stundenplanes stellt. Im Jahresbericht von 1942 werden die Leser darüber informiert: 

„Schwierig wurde die Lage der Schule am Ende des Schuljahres, als drei Lehrer, Studienrat Dr. Grössel, Studienassessor Dr. Friccius und Studienassessor Timm, zum Heeresdient eingezogen wurden. Es gelang, die Einberufung der beiden an den Examina beteiligten Lehrern, Dr. Friccius und Timm, noch bis zum Ende des Schuljahrs hinauszuschieben und durch Annahme hiesiger Kräfte und durch Erhöhung der Pflichtstundenzahl der übrigen Lehrkräfte den Stundenplan für das laufende Jahr voll aufrecht zu erhalten. 

Den vorläufig ausgeschiedenen Lehrern (…) dankt die Schule (…) und wünscht ihnen glückliche Heimkehr von der Front in ein siegreiches Vaterland und einen gesicherten Frieden.“ (Jahresbericht 1942, S.8) 

Im Jahresbericht von 1944 werden auf Seite 33 sämtliche Lehrer und ehemalige Schüler der Sankt Petri, die im Kriegsdienst waren, mit ihrem Rang aufgeführt. 

Abgesehen von Änderungen im Stundenplan, weil einige Lehrer einberufen worden sind, zeigte sich der Krieg im Winter 1940/41 auch in Verdunkelungsvorrichtungen und einer Verlegung der Herbstferien auf die Weihnachtsferien aufgrund von mangelnder Kohle zum Heizen. Bereits im September 1940 wird diese Maßnahme beschlossen: 

Die Verdunkelung des Schulhauses St.Pederstræde 4 soll erst im Oktober vorgenommen werden.  Da die Kohlenlage sehr schwierig ist, kann man noch nicht verantworten zu heizen. Es soll den Kindern gesagt werden, daß sie sich warm anziehen müssen. Der Direktor macht folgenden Vorschlag: Es wird ähnlich wie in den Kommuneschulen auf die Herbstferien verzichtet. Dafür werden die Weihnachtsferien um eine Woche verlängert (bis zum 13.Januar 1941)“  (Aus: Protokoll der Lehrerkonferenz vom 09.09.1940)

 

Die ehemalige Sankt Petri Schülerin, Grethe Salomonsenberichtet in einem Interview mit Nils-Birger Danielsen, wie sie die Bombadierung des Shellhauses am 21.03.1943 durch die Engländer erlebt hat: 

„Wir standen am Fenster, als die Flugzeuge kamen, und jemand sagte, dass das deutsche Flugzeuge seien, die abstürzten, aber dann schrie Mogens Dybal-Nielsen: `Nein, das sind die Engländer!´ Wir rannten rüber in die Krypta der Kirche, die wir als Schutzraum benutzen sollten, aber zunächst konnte niemand die Schlüssel finden, so dass wir uns unter die Bänke legen mussten. (…) Man hörte Machinengewehrsalven in Richtung Nørrevold. Ein Haus auf der Søndre Boulevard wurde getroffen. Dort wohnten meine Großeltern, so dass ich nervös wurde, ob ihnen wohl etwas geschehen war. (Als der Alarm abgeblasen war, erhielten die Schüler den Bescheid, dass sie nach Hause gehen sollten.) Heute wundere ich mich darüber, dass man die Schüler in dieser Situation einfach alleine nach Hause gehen ließ. Auf dem Jamers Platz war ein Feuergefecht zwischen Freiheitskämpfern und Leuten, die vom Shellhaus geflüchtet waren, weshalb ich in einen Hauseingang ging, wo ich stehenblieb, bis es überstanden war.“ (z.n. N.-B. Danielsen, S. 305) 

 Der Zeitzeuge, Bent Hammeken, der von März 44 bis August 1945 Sankt Petri Schüler war, schreibt am 17.März 2018 in einem Brief an die Schule: 

3 – 4 Mal in der Schulzeit war Fliegeralarm und dann wurden wir klassenweise in die Kirche runter in die Krypta unter dem großen Turm geführt. Hier saßen wir auf Bänken. Das waren angsterfüllte Stunden und während ich dort saß, dachte ich daran, wie wir wieder herauskommen sollten, wenn der Turm getroffen und vor dem Tor niederstürzen würde. 

 

Ab März 1945 kamen die Flüchtlinge 

Zu Beginn des Jahres 1945 kamen immer mehr Flüchtlinge aus dem Ostdeutschland nach Dänemark, allein in Kopenhagen war es schließlich ca. 60 000, die in Schulen unterbracht wurden, so dass für den normalen Schulbetrieb sehr viel weniger Platz zur Verfügung stand. 

Auch in der Sankt Petri Schule wurden Flüchtlinge in umfunktionierte Klassenräume einquatiert. Darunter war der 10jährige Ernst-Ulrich Baganski, der am 01.März 2014 in einem Brief an die Schulleiterin der Sankt Petri Schule über seine Erinnerungen berichtet: 

„Auf der Flucht vor den Sowjets aus Ostpreußen kamen wir nach 14-tägiger Schiffsreise Anfang März endlich in Kopenhagen an und staunten: Nichts zerstört, in der Schule ein freundlicher Empfang, kein Herumkommandieren, alles ruhig wie im tiefsten Frieden! Zunächst mussten wir uns waschen, Sie können sich denken, wie alle aussahen und stanken, danach gab es neue Unterwäsche. Erst dann durften wir in die Klassenzimmer, dort standen Doppelstockbetten mit blauweiß kariertem Bettzeug, ein langer Tisch mit weißer Decke, Blümchen, herrlich, alles so sauber … (…) nach der ewigen Kohlsuppe auf dem Schiff doch wieder Brot, Butter und vor allem Milch.“  

Die ehemalige Sankt Petri Schülerin, Inger Lindner, erzählt in einem Interview mit N.B. Danielsen: 

„Eines Tages, als wir in die Schule kamen, war unser Klassenzimmer ganz voll (…). Wir nahmen spontan unser Pausenbrot samt Getränk und gaben es den Frauendie da in ihrem Heu saßen – viele von ihnen mit kleinen Kindern. Danach sind wir nur noch jeden zweiten Tag in die Schule gegangen. (N.B. Danielsen, S.297) 

 

Nach der Befreiung am 05.Mai 1945: Die Schule wird nicht geschlossen, aber das Hauptgebäude wird beschlagnahmt 

Nach der Befreiung Dänemarks von der deutschen Besatzung am 05.Mai 1945 wird der Unterricht an der Sankt Petri Schule unter größten Schwierigkeiten, aber ununterbrochen unter der Leitung des Schulkommissionsvorsitzenden und Hauptpastors der Sankt Petri Kirche, Werner Görnandt, fortgesetzt. Teilweise findet der Unterricht sogar in der Kirche statt. 

Der dänische Unterrichtsminister, Hartvig Frisch, entscheidet, die Schule nicht zu schließen. In einem Zeitungsinterview erklärt er später: 

„Wir hätten die Schule schließen können, aber das wäre schade gewesen, denn die Schule ist den ganzen Krieg hindurch loyal gegenüber Dänemark gewesen. Im Übrigen ist sie auch eine dänische Schule, die schon zur Zeit Frederiks II errichtet wurde. (z.n.Johannes Jensen (Hrsg) und Jürgen Beyer, Sankt Petri Kopenhagen 1575 –2000, Kopenhagen 2000, S.157) 

Das große Schulgebäude in der Larlejsstræde 5 wird aber zunächst beschlagnahmt. Dies geht aus einem Protokoll der Lehrerkonferenz vom 13.August 1946 hervor: 

„Herr Hauptpastor Görnandt leitet ein mit der allgem. Schulsituation: 

Die grosse Schule wird ganz beschlagnahmt. Die kleine Schule wird weiterhin vom Magistrat zur Verfügung gestellt, allerdings wird kein Geld zur Verfügung gestellt werden könnenEvt. Auszahlungen seitens des Magistrats müssten auf ein Sperrkonto eingezahlt werden, bis die Frage geklärt ist, ob sie freigegeben werden können. Beträge zur Auszahlung der Lehrergehälter sind bis Ende September vorhanden. Wenn inzwischen kein Geld ausgezahlt werden kann, muss die Schule trotz klarer Rechtslage geschlossen werden. Daher die erfolgte Kündigung an die Lehrer. Von Seiten der Schulleitung will man fortsetzen, solange es geht.  (Protokoll der Lehrerkonferenz vom 13.08.1946)

Die Schule hat zu diesem Zeitpunkt insgesamt 95 Schülerinnen und Schüler. 

Erst am 29.Mai 1947 gibt Schulleiter Gørnandt bekannt, dass die Schule das Hauptgebäude in der Larslejsstræde 5 wieder übernehmen darf:

Herr Hauptpastor Görnandt spricht zur allgemeinen Lage der Schule: 1.) vom Innenministerium ist der Bescheid gekommen, daß das Schulgebäude Larslejstræde 5 am 20./6., spätestens aber bis zum 20./7. geräumt werden soll und dann der Schule zur Verfügung stehen soll; das Magistrat ist geneigt, die Übergabe des alten Schulgebäudes noch um einen Monat zu verschieben. 2.) Es bestehen noch Schwierigkeiten betreffs der Zuschüsse, die die Schule von Deutschland erhalten hat, damit ist auch die Frage des Staatszuschusses noch nicht geklärt.“  (Protokoll der Lehrerkonferenz vom 29.05.1947)

1948 hat die Schule nur noch 74 Schüler, die man auf diesem Foto mit ihren Lehrern in der Turnhalle sehen kann.